Jedes Jahr landen bis zu zwölf Millionen Tonnen Plastik in den Ozeanen. Dort wird es von Meerestieren mit Nahrung verwechselt und aufgenommen. Sie können ersticken, tödliche Verstopfungen erleiden oder verhungern, da der Magen voll mit Plastik ist. Was nicht schon im Makrozustand gefressen wird, zersetzt sich mit der Zeit in Mikroplastik und wird spätestens dann ungewollt aufgenommen. So landet es ebenfalls im menschlichen Organismus. Lebensräume werden zerstört und Riffstrukturen geschädigt. Aber wie gelangt das ganze Plastik überhaupt in die Ozeane?
Flüsse als Hauptquelle
Schätzungsweise kommen 80% des Plastiks in den Ozeanen über Flüsse und Küstenregionen ins Meer. Diesem Problem hat sich Plastic Fischer 2019 angenommen und kämpft seither gegen die weitere Vermüllung der Ozeane. Nach einem augenöffnenden Vietnam-Urlaub 2018 gründeten Karsten, Georg und Moritz „das erste Unternehmen der Welt, das sich mit Flussplastik befasst“. In Flüssen befindet sich der Großteil des Plastikmülls unmittelbar unter oder an der Wasseroberfläche. Daher ist es laut Plastic Fischer viel einfacher, den Müll direkt in den Flüssen abzufangen, bevor er sich in den Ozeanen verteilt und sich dort zu Mikroplastik zersetzt.
Die Technologie
Unterschiedliche Flüsse bedürfen unterschiedlicher Herangehensweisen. Die Kerntechnologie bildet der Trashboom. Dabei handelt es sich um eine modulare und selbstausrichtende Barriere, die auf dem Wasser schwimmt und somit Müll stoppt, während Fische unter der Konstellation durchschwimmen können.
Aber ist es wirklich garantiert, dass sich keine Fische oder andere Tiere in den Netzen verfangen? Das sagt Felix von Plastic Fischer im BlueShift-Interview:
„Tatsächlich zeigen unsere Erfahrungen, dass es kaum noch Fische in den Flüssen gibt, in denen wir unsere Trashbooms installieren. Die Flüsse sind in den meisten Fällen so stark verschmutzt, dass sie mit all den Industrieabfällen oder enthaltenen Schwerölen extrem lebensfeindlich sind. So hatten wir bisher keine nennenswerten Probleme mit Lebewesen im Wasser, die sich in den Systemen verirren. Allerdings landet trotzdem nicht nur Plastik in den Trashbooms. Es sammeln sich auch andere Materialien wie Styropor, Holzbalken, Äste oder manchmal sogar tote Tiere, was die Arbeit vor Ort teils emotional herausfordernd für unsere Arbeitnehmer macht.“
An eher schwierig zu erreichenden Stellen kommt der begehbare Trashboom zum Einsatz. Bei dieser Variante kann das Plastik direkt vom Trashboom aus gesammelt, getrocknet und vorsortiert werden. Einige Flussstellen sind leider so stark verschmutzt, dass eigene Kransysteme des Unternehmens installiert werden.
Bei all diesen Methoden arbeitet Plastic Fischer nach der 3L-Methode. Local, low-tech und low-cost. Das bedeutet, dass neben dem Einsatz der ortsansässigen Arbeitnehmer auch die Technologie ausschließlich aus lokal verfügbaren Materialien hergestellt wird, was Zeit, Geld und am wichtigsten: CO₂ spart. Dadurch ist die Technologie leicht zu bauen, zu reparieren und zu bedienen.
Wie Plastic Fischer lokale Arbeitnehmer unterstützt
Zuflüsse machen häufig den Großteil des Plastikmülls aus. Deshalb, und auch weil sie leichter zu erreichen sind und die Arbeit nicht durch Schiffsverkehr erschwert wird, agiert Plastic Fischer in eben diesen Zuflüssen. Außerdem kann das Unternehmen so mit Anwohnern zusammenarbeiten und gesicherte Arbeitsplätze für Menschen vor Ort schaffen. An den 42 Impact-Standorten in Indonesien und Indien arbeiten zurzeit über 70 Menschen. Die meisten von ihnen in Vollzeit. Für viele von Ihnen ist es das erste Mal, dass sie finanzielle Planungssicherheit mit fairen und rechtzeitig gezahlten Löhnen, feste Arbeitszeiten und ein sicheres Arbeitsumfeld erfahren. 2025 möchte sich das Unternehmen in Indien sogar vergrößern und seine Zahl der Angestellten auf über 130 erhöhen. „Das wird ein bedeutender Meilenstein in unserer Entwicklung.” so Felix. „Vor allem, wenn man beachtet, dass 2024 bezüglich Klima- und Umweltschutz ein eher schwieriges Jahr war. Gerade die wirtschaftlichen Unsicherheiten, die viele Unternehmen betroffen haben, und die damit verbundenen kleineren Budgets für Umweltengagement waren eine Herausforderung, die wir aber zum Glück gemeistert haben.”
Wie das Unternehmen die Arbeitsplätze seiner Angestellten genau sichert, hat uns Felix auch erklärt.
„Die Verträge mit unseren Partnerunternehmen laufen immer für mindestens ein Jahr. Manche auch länger. Diese Partnerschaften, genauer ausgedrückt das unternehmensfinanzierte Impact-Sponsoring, basieren auf der Effizienzmetrik, dass ein Euro für ein Kilogramm Plastik steht, wodurch ein Grundmaß an Stabilität entsteht. Das heißt, dass die Unternehmen, die uns unterstützen, im Rahmen eines Sponsoringvertrags eine Gegenleistung erwarten. In unserem Fall ist das die transparente Entnahme von Plastik aus Flüssen. Sollte jedoch mehr Plastik gesammelt werden als ursprünglich geplant, hat das keine negativen Auswirkungen auf die Mitarbeitenden – sie bleiben für die gesamte Projektlaufzeit angestellt und ihre Arbeit geht weiter. Damit möchten wir ein möglichst geringes Risiko für unsere Angestellten schaffen.“
Der Prozess
Der Arbeitsalltag der Arbeiter ist je nach Witterung und Gegebenheiten vor Ort unterschiedlich. Die Trashbooms müssen jeden Tag geleert werden und der aufgefangene Müll wird anschließend zu speziellen Trocknungssorten gebracht. Dort lagert der Müll regengeschützt etwa zwei Wochen, bis er trocken ist. Zudem müssen die Trashbooms in regelmäßigen Abständen gewartet werden. Wenn der Wasserstand sinkt, werden sie entfernt, um den Fluss nicht zu blockieren. In diesem Zuge werden sie außerdem gereinigt und auf Schäden überprüft.
Im Anschluss an die Trocknungsphase wird alles in die eigenen Sortieranlagen gebracht, in denen der Müll nach Materialtypen getrennt wird. Alles, was recycelbar ist, wird an Recyclingfirmen weitergegeben und dort verarbeitet.
„Nach der Weitergabe endet unsere Arbeit nicht gänzlich. Unsere Partner stellen uns Zertifikate über die Menge und Art der recycelten Materialien aus. Zudem können wir die Verwertung des Plastiks über eine Plattform namens empower.eco verfolgen. Darüber können wir jedes Kilogramm Plastik tracken und die Herkunft, Verarbeitung und Weitergabe dokumentieren. Dadurch können wir Transparenz gewährleisten und den Impact unserer Arbeit verifizieren.“
Nicht recycelbare Materialien werden zur energetischen Nutzung an Zementfabriken geschickt, um Kohle zu ersetzen. Laut Plastic Fischer ist das aktuell die beste Alternative zu Mülldeponien und der Verschmutzung der Ozeane. Trotzdem sucht das Unternehmen aktiv nach neuen Möglichkeiten. Auf der Webseite heißt es: „Wir freuen uns über Vorschläge, wie wir hier besser werden können!“ Im Gespräch haben wir gefragt, ob es bereits neue Ideen zur Verwertung dieser unbrauchbaren Materialien gibt.
„Das größte Problem ist nicht, dass es zu wenige Alternativmöglichkeiten gibt, sondern, dass der Großteil unseres Materials für die meisten davon ungeeignet ist. Dadurch, dass das Material häufig Multilayer-Plastik ist, also Folien mit mehreren Schichten, das zusätzlich meist durch Umwelteinflüsse stark degradiert wurde, ist eine sinnvolle Wiederverwendung oft extrem schwierig. Luftdichte Verpackungen oder Fahrzeugteile zum Beispiel haben Qualitätsansprüche, die das Material einfach nicht erfüllen kann. Es wird zurzeit an Projekten gearbeitet, wie beispielsweise an dem einer Schweizer Organisation, die Kunststoffpaletten aus recyceltem Material herstellen möchte. Dabei gibt es weniger strenge Anforderungen, die unser Material vielleicht bestehen könnte.“
Ein paar abschließende Worte
Seit Juni 2024 ist Plastic Fischer in Kanpur und Varanasi mit einem von nur zwei weltweit existierenden unabhängigen Verifizierungsmöglichkeiten im Plastik Credit Sektor, dem Ocean Bound Plastic Standard, zertifiziert. Auch das ist ein bedeutender Meilenstein.
„Etwas, das wir den Menschen unbedingt mitgeben möchten, ist, dass die Verschmutzung durch Plastik oft nicht ernst genug genommen und die Ausmaße unterschätzt werden. Wir möchten ein Bewusstsein für die Ursache des Problems schaffen und setzen uns dafür ein, dass die Produzenten der ursprünglichen Materialien stärker zur Verantwortung gezogen werden. Es geht nicht immer nur um das Thema Recycling, sondern darum, das Problem an der Quelle zu bekämpfen und dafür zu sorgen, dass die Produktion einiger Materialien drastisch reduziert wird. Idealerweise wird unsere Arbeit so schnell wie möglich überflüssig. Das ist unser Ziel. Und das muss es auch sein.“