„Wenn wir die Lichtverschmutzung nicht in den Griff bekommen, können wir uns alle anderen Umweltbemühungen sparen.“ Mit diesen Worten macht Ingeborg Peine, Sprecherin Naturschutz des BUND Fulda und Ansprechpartnerin des Hessischen Netzwerks gegen Lichtverschmutzung, die Dringlichkeit des Themas deutlich.
Das Ziel ist klar: Die weitere Aufhellung der Nacht durch künstliches Licht schnellstmöglich und allumfassend zu verhindern. Dabei setzt das Netzwerk, bestehend aus Mitgliedern von Naturschutzverbänden, Sternwarten, Vereinen sowie Bürgern, auf Aufklärung über die negativen Auswirkungen nächtlicher Beleuchtung und Werbung für ökologisch vertretbare Außenbeleuchtung. „Ehrenamtlich und ohne wirtschaftliche Interessen“ setzen sich die Mitglieder für die Sensibilisierung für das Thema Lichtverschmutzung ein. Durch Aktionen, Infomaterialien und wertvollen Austausch trägt das Netzwerk seine Forderungen nach außen. Diese bestehen im Kern aus folgenden Punkten:
Forderungen des Netzwerks:
- Lichtimmissionen sollten grundsätzlich vermieden werden, sofern kein belegbarer Grund für diese vorliegt.
- Die Infrastruktur, also Flächen, Räume und Korridore, soll dunkler geplant und optimiert werden.
- Einsatz möglichst geringer Lichtströme und Lenkung des Lichts ausschließlich auf die Nutzfläche sowie die Nutzung geschlossener und staubdichter Leuchten.
- Bedarfsorientierte Nutzung und Abschaltung bei geringer oder Nichtnutzung.
- Das verwendete Leuchtmittel sollte möglichst geringe UV-Anteile besitzen und eine maximale Farbtemperatur von 2700 Kelvin (K), besser 2200 oder weniger haben.
Zudem setzt sich das Hessische Netzwerk gegen Lichtverschmutzung für Veränderungen und Handlungen auf politischer Ebene ein. Demnach fordern sie unter anderem, dass die Bundesverordnung zur Reduktion von Lichtverschmutzung entsprechend § 41 a BNatSchG konsequent und auf den ökologischen Erkenntnissen basierend durchgesetzt wird, sowie die Umsetzung und Förderung umweltfreundlicher Beleuchtung in der Praxis einschließlich Maßnahmen zur Reduzierung der bereits entstandenen Lichtverschmutzung.
Im Gespräch mit Frau Peine haben wir ein bisschen mehr über das Netzwerk erfahren.
BlueShift: Wie sieht die Arbeit des Netzwerks insgesamt aus?
Frau Peine: Wir sind kein Verein oder Ähnliches, sondern es ist ein Verbund ehrenamtlich tätiger Personen aus verschiedensten Gruppen der Bevölkerung, die sich aus eigener Überzeugung heraus des Themas angenommen haben. Eine Sache, an der wir immer wieder arbeiten, sind unsere praktischen Hilfestellungen in schriftlicher Form. Wichtig ist uns eben, dass wir wirklich Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen sind für alle. Also es kann sich sowohl eine Privatperson an uns wenden, als auch ein Planungsbüro oder auch ein Unternehmen. Und dann versuchen wir, die entsprechende Ansprechperson zu vermitteln.
Und dann gibt es natürlich immer wieder den Fall, dass lokale Akteure aufgrund bestehender Probleme an die jeweiligen Kommunen herantreten. Und wenn uns an der Stelle jemand um Hilfe bittet, beispielsweise bei der Formulierung, stellen wir auch intern abgestimmte Mustertexte für private Schreiben zur Verfügung. Im Namen des Netzwerks kann nämlich nicht Jeder und Jede sprechen, dafür gibt es die regionalen Ansprechpartner und Pressemitteilungen. Außerdem wurden wir zum Beispiel angehört, als im letzten Jahr das hessische Naturschutzgesetz neu aufgelegt wurde. Wir konnten dann einen Abgesandten nach Wiesbaden in den Landtag schicken und haben unsere Gedanken zu den Regelungen einbringen können. Und über solche Erfolge wird dann auch über das Netzwerk entsprechend berichtet.
BlueShift: „Wenn wir die Lichtverschmutzung nicht in den Griff bekommen, können wir uns alle anderen Umweltbemühungen sparen.“ Wie ist diese Aussage gemeint?
Frau Peine: Wir kommen immer wieder zum Gleichen zurück. Der natürliche Tag-Nacht-Wechsel über den Jahresverlauf hinweg ist die Grundlage für die Steuerung aller Lebensfunktionen aller Organismen und damit des Funktionierens unseres Lebens und des Ineinandergreifens der einzelnen Bestandteile. Das heißt, wenn wir die Lebewesen dauerhaft stören, zerstören wir nachhaltig diesen Kreislauf und damit auch unsere Lebensgrundlage. Das bedeutet auch, alles, was wir an Umweltmaßnahmen tun, sei es die Wiederaufforstung, das Anlegen von Blühwiesen oder zum Beispiel die Wiederherstellung eines Flusses, all diese Maßnahmen zerstören oder schädigen wir durch Lichtverschmutzung im Grunde selbst. Angenommen, wir möchten einen Fluss wiederherstellen und schaffen ein neues Flussbett, das wir dann gleichzeitig aber beleuchten, dann ist vielleicht der Wasserlauf verbessert, aber das biologische Leben in diesem Fluss ist weiterhin nachhaltig gestört.
Menschen haben ja die Chronobiologie durch den Mond. Wir haben also einen Fortpflanzungsrhythmus, einmal im Monat, durch den weiblichen Zyklus. Tiere und Pflanzen haben allerdings einen anderen Zyklus. Manche haben wirklich ein ganz kleines Zeitfenster, in dem sie sich fortpflanzen können. Nicht monatlich, sondern nur einmal im Jahr zu ganz bestimmten Zeitpunkten. Und wenn diese natürlichen Verhältnisse eben so stark verfälscht werden, durch Beleuchtung, dass die Organismen dieses Signal nicht mehr bekommen, dann werden beispielsweise bei Vögeln Vermehrungszeitpunkte nach vorne gelegt. Insekten, die eher temperaturgesteuert sind oder die vielleicht zuwandern aus anderen Ländern, sind dann noch nicht da. Das heißt, es ist keine Nahrung für die Brut vorhanden.
BlueShift: Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Forderung des Netzwerks?
Frau Peine: Grundsätzlich, nachts, wo immer es geht, das Licht ausschalten, um die natürlichen Verhältnisse möglichst gut wiederherzustellen. Durch die Erfindung der LEDs hat die Lichtverschmutzung mittlerweile extreme Ausmaße angenommen, die vor allem in der Weihnachtszeit sichtbar werden. Die Lampen werden immer billiger und auch der Stromverbrauch ist ja wesentlich geringer als früher. Das Licht strahlt auch von den bewohnten Gebieten in die Schutzgebiete und schädigt dort Pflanzen und Tiere. Und das ist ein ganz großes Problem.
Und natürlich erreicht man mit der bloßen Forderung „macht das Licht aus“ nicht wirklich etwas. Deshalb geht es in unserer Arbeit in weiten Teilen um die Aufklärung. Nicht einfach „Licht aus“, ohne Begründung, sondern „Licht aus, weil es Pflanzen, Tiere und Menschen schädigt“. Und wir wissen natürlich auch, wir werden nicht alles dunkel bekommen. Das will auch keiner.